DREI PRODUKTIONEN ZUR ERINNERUNG AN ALEXANDER GIRARDI
Die Wiener Strauss-Gesellschaft ehrte den erfolgreichsten österreichischen Schauspieler aller Zeiten aus Anlass seines 100. Todestages gleich mehrfach.
Zum 150. Geburtstag Alexander Girardis hatte die Johann Strauss-Gesellschaft Wien im Jahre 2000 eine stimmungsvolle, in vorweihnachtliche Atmosphäre getauchte Festmatinee im Wiener Theater Akzent veranstaltet. (Vergleichen Sie dazu bitte den entsprechenden Bericht in dieser Rubrik!) 18 Jahre später gedachte die JSG-Wien dieses populärsten und am meisten verehrten Schauspielers, den Österreich jemals hervorgebracht hat, aus Anlass seines 100. Todestages gleich mit drei Produktionen:
Am 27. März 2018 veranstaltete die Gesellschaft unweit des ehemaligen Carltheaters, einer der Hauptwirkungsstätten Alexanders Girardis, und zwar im Festsaal des Amtshauses Wien-Leopoldstadt, ein Konzert unter dem Titel „Alexander Girardi und die Goldene Wiener Operettenzeit“. Mitglieder des Klassischen Operettenensembles Wien präsentierten Ausschnitte aus Bühnenwerken von Johann Strauss, Karl Millöcker und Carl Zeller, in denen Girardi nicht nur aufgetreten war – er verkörperte vielfach jeweils die Titelrolle bzw. eine Hauptrolle in deren Uraufführung –, sondern die er auch dank seines untrügerischen Bühneninstinkts künstlerisch erfolgreich mitgeprägt hatte, sodass die Auswirkungen dieses seines Einflusses bis zum heutigen Tag bei Aufführungen der Werke weiterleben.
Um Werke der frühen Silbernen Wiener Operettenzeit, also des beginnenden 20. Jahrhunderts, erweitert, bot sich dann das Programm der „Hommage an Alexander Girardi“, die die JSG-Wien ein paar Monate später, nämlich am 1. September 2018, im Wiener Lehár-Schlössel präsentierte. Es spielten die Penzinger Konzertschrammeln, Peter Widholz sang Lieder, die für Alexander Girardi geschrieben worden waren, und erzählte viel Wissenswertes aus dem Leben des unvergleichlichen Künstlers. Mit dem Aufführungsort sollte darauf aufmerksam gemacht werden, dass Girardi auch Franz Lehár, als dieser sich mit seinen „Wiener Frauen“ 1902 erstmals als Operettenkomponist der Öffentlichkeit vorstellte, zu großem Erfolg verholfen hatte.
Den Höhepunkt und Abschluss der Gedenkfeierlichkeiten bot schließlich die Aufführung eines ganzen Bühnenwerks: Mit Unterstützung der Stadt Wien präsentierte die JSG-Wien am 11. Oktober 2018 im Großen Festsaal des Amthauses Wien-Hietzing eine konzertante Aufführung der Operette „Der Feldprediger“ von Karl Millöcker, und zwar mit Solistinnen und Solisten des Klassischen Operettenensembles Wien sowie dem Chorus Alea unter der Leitung des talentierten Nachwuchsdirigenten Matthias Schoberwalter. Damit erinnerte die Strauss-Gesellschaft nicht nur ein drittes Mal in diesem Gedenkjahr an Alexander Girardi – er hatte bei der Uraufführung 1886 die Rolle des Piffkow kreiert –, sondern sie kam mit der Wahl dieses Werks einmal mehr ihren Bemühungen nach, zu Unrecht vergessene Meisterwerke der Klassischen Wiener Operette neu zu beleben. Als Erzählerin der Handlung konnte erneut Waltraut Haas gewonnen werden.
Viele Jahre bereits hatte Waltraut Haas Produktionen der JSG-Wien durch ihre tatkräftige Mitwirkung unterstützt. Obwohl bereits im 92. Lebensjahr stehend, sagte der Film- und Theaterstar, der sich damals seit mehr als 70 Jahren bereits ungebrochener Beliebtheit beim Publikum erfreuen konnte, dem Präsidenten der Strauss-Gesellschaft, Prof. Mag. Peter Widholz, 2018 ein weiteres Mal spontan zu, als er sie um eine neuerliche Mitwirkung ersuchte. Mit ihr stand somit bei dieser Aufführung eine Künstlerpersönlichkeit auf der Bühne, die – so wie Alexander Girardi – bereits zu Lebzeiten zu einer Legende geworden war.
Die mit Abstand größte Reichweite zur Erinnerung an Alexander Girardi war allerdings bereits am ersten Tag des Jahres 2018 erzielt worden. Mit keiner anderen Operettenrolle wird Girardi bis zum heutigen Tag so sehr assoziiert wie mit der des Zsupán in der Johann Strauss-Operette „Der Zigeunerbaron“. Das melodische Material des von Strauss für Girardi geschaffenen Auftrittsliedes, das mit den Worten beginnt: „Ja das Schreiben und das Lesen“, verwendete der Walzerkönig in der Folge für seine Polka francaise „Brautschau“. Auf Initiative des Präsidenten der JSG-Wien, Peter Widholz, der für das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker 2018 erstmals als Programmkonsulent beigezogen wurde – er war dabei der einzige und alleinige Berater Riccardo Mutis, der dieses Konzert dirigierte und dessen Programm auch zur Gänze festlegte – , erklang diese Polka am 1. Jänner 2018 nicht nur erstmals bei einem Neujahrskonzert, sondern ganz bewusst auch zur Erinnerung an den 100. Todestag von Alexander Girardi.
Damit hatte die JSG-Wien letztendlich über zehn Monate hindurch alles ihr zu Gebote Stehende getan, um das Andenken an Alexander Girardi aufrechtzuerhalten. Er hatte zu einer Zeit gelebt, in der es noch kein Radio, kein Fernsehen und keine sozialen Medien gab, und doch einen Bekanntheitsgrad und eine Popularität erreicht, wie sie heute nur mit einer dementsprechenden Werbemaschinerie bewirkt werden kann. Er hatte eine solche nicht und brauchte sie auch nicht. Er erlangte unsterblichen Ruhm einzig und allein durch sein Talent, seinen Fleiß, ja seine Besessenheit, von der Bühne aus Menschen zum Lachen, aber auch zum Weinen zu bringen. Keinem vor und nach ihm gelang dies in so intensiver und so vielfältiger und vielschichtiger Weise wie ihm – und das über rund ein halbes Jahrhundert. Ein unerreichbares Vorbild, an dessen Einzigartigkeit bis zum heutigen Tage nicht zuletzt sein prominent gelegenes Denkmal am Wiener Karlsplatz erinnert (siehe unser Titelbild)!