DURCHSCHLAGENDER ERFOLG BEIM AUFTAKT ZU OPERETTENEIGENPRODUKTIONEN – MÄRZ 2001
Aufführungsserie der Operette „Alt-Wien“ zum 200. Geburtstag von Joseph Lanner
Die Vorgeschichte
Bereits die zweite Veranstaltung in der Geschichte der Johann Strauss-Gesellschaft Wien war die Aufführung eines Bühnenwerks: Unter der musikalischen Leitung des ersten Präsidenten der JSG-Wien, Felix Weingartner, fand am 15. Februar 1937 eine Vorstellung der „Fledermaus“ an der Wiener Staatsoper statt. Weitere Operettenaufführungen der Wiener Staatsoper in der Volksoper präsentierte die Wiener Strauss-Gesellschaft im Rahmen ihrer beiden Festwochen 1949 und 1950. All diese Aufführungen waren allerdings Vorstellungen der Staats- bzw. Volksoper, die in die jeweilige Programmatik der Strauss-Gesellschaft eingebettet worden waren. Operetteneigenproduktionen der JSG-Wien gab es das gesamte 20. Jahrhundert hindurch nicht. Dies blieb dem 21. Jahrhundert vorbehalten.
Der Auslöser
2001 galt es des 200. Geburtstages von Joseph Lanner (1801 – 1843), des „Vaters des Wiener Walzers“, zu gedenken. Da dieser fast ausschließlich Instrumentalkompositionen geschrieben hatte und die Johann Strauss-Gesellschaft Wien damals noch über kein eigenes Instrumentalensemble verfügte, sehr wohl aber über ein Sängerensemble, entschloss man sich, eine absolute Rarität neu zu beleben: 1911 war höchst erfolgreich am Wiener Carltheater eine Operette mit dem Titel „Alt-Wien“ uraufgeführt worden, für die ein Kapellmeister und Arrangeur namens Emil Stern ausschließlich Musik Joseph Lanners verwendet hatte. Da die Höhe der durch die Stadt Wien für dieses Projekt gewährten Subvention eine Produktion in der ursprünglichen Besetzung mit weit über 100 Mitwirkenden nicht ermöglichte, erstellte Prof. Mag. Peter Widholz in seiner Funktion als Veranstaltungsleiter der Strauss-Gesellschaft eine kammermusikalische Fassung, die mit zehn Sängerinnen und Sängern auskam, wobei diese auch den Großteil der Chorpassagen übernahmen, sodass so gut wie die gesamte musikalische Substanz des Werks erhalten blieb. Die instrumentale Begleitung erfolgte mit Klavier. Die durch die Bearbeitung notwendig gewordene dramaturgische bzw. textliche Einrichtung besorgte ebenfalls Peter Widholz, der letztlich auch für die Regie dieser Produktion verantwortlich zeichnete.
Die Premiere
Am 3. März 2001 fand die Premiere dieser ersten Operettenproduktion der Johann Strauss-Gesellschaft Wien mit ihrem eigenen Ensemble statt. Als Aufführungsort hatte man den prunkvollen und musikhistorisch bedeutenden Ehrbar-Saal im 4. Wiener Gemeindebezirk ausgewählt. Hier hatten bereits große Komponisten wie Anton Bruckner, Johannes Brahms, Pietro Mascagni oder Gustav Mahler Konzerte gegeben. Den Ehrenschutz hatte Anne Sadolin, die Urururenkelin Joseph Lanners, übernommen. Der JSG-Wien war es dank ihrer internationalen Kontakte gelungen, diese Nachfahrin in Dänemark ausfindig zu machen. Anne Sadolin war mit ihren beiden noch im Schulalter befindlichen Kindern angereist, um persönlich der Premiere dieser Produktion beizuwohnen. Der Präsident der Johann Strauss-Gesellschaft Wien, Prof. Franz Mailer, durfte aber unter weiterer Prominenz aus Kunst, Kultur und Gesellschaft erstmals auch einen ausländischen Ehrengast willkommen heißen, der für die JSG-Wien in den nächsten Jahren noch besondere Bedeutung erlangen sollte: die Gattin des rumänischen Botschafters in Wien und Präsidentin der Rumänischen Strauss-Gesellschaft, Josefina Rodica.
Kurz vor der Premiere fiel die weibliche Hauptdarstellerin aus. Es war für die Sopranistin Christine Reiter kein geringes Unterfangen, kurzfristig die große Partie der Lini zu übernehmen. Dieses Einspringen verlieh dem Abend eine zusätzliche Spannung. Wenngleich in reduzierter Besetzung präsentiert, erzielte diese erste Operettenproduktion der JSG-Wien einen unerwartet großen Erfolg. Schon während der Vorstellung zeichnete sich dieser durch die Reaktionen des Publikums im dicht besetzten Saal ab, um sich letztlich am Ende der Vorstellung in großem Jubel zu entladen; jedes einzelne Ensemblemitglied wurde beim Verbeugen voll Dankbarkeit stürmisch gefeiert; Christine Reiter hatten sich in jeder Hinsicht bravourös bewährt.
Reaktionen
Die im Publikum anwesende Kammerschauspielerin Marianne Nentwich vom Theater an der Josefstadt äußerte sich noch am Premierenabend fast verwundert über die – neben dem gesanglichen Niveau – hohe Qualität der schauspielerischen Leistungen sowie der Regie. Noch Tage, ja Wochen später erhielt Präsident Prof. Franz Mailer höchst positive Reaktionen auch auf schriftlichem Wege. Hier drei Beispiele, die von ausländischer Seite erfolgten:
„Sehr geehrter Herr Prof. Mailer!
Die Nachkommen von Joseph Lanner möchten für den schönen Lanner-Abend „Alt-Wien“ am 3. März 2001 danke sagen an die Johann Strauss-Gesellschaft Wien und auch an alle Darsteller! Wir sind tief berührt, wie sehr man das Andenken unseres Ur-Ur-Urgroßvaters Joseph Lanner noch immer ehrt. Viel Glück für die nächsten Aufführungen!
Mit freundlichen Grüßen
Vang und Anne Lanner-Sadolin (Sohn und Tochter von Anne Lanner Sadolin, Dänemark)“
„Sehr geehrter Herr Professor!
… Seit meinem sechsten Lebensjahr besuche ich Opern-, Operetten und Ballettaufführungen. Ich habe immer davon geträumt, einmal nach Wien zu kommen. Die Aufführung dieser Lanner-Operette durch das Ensemble Ihrer Gesellschaft war genau das, wonach ich mich in meinem kulturellen Interesse mein Leben lang gesehnt habe. Es war alles ein typisches Zeichen für den Respekt, den Österreich einem genialen Komponisten seiner großen kulturellen Vergangenheit erweist. Ich war tief beeindruckt von der hohen künstlerischen Qualität dieser professionellen Vorstellung ….“ (Josefina Rodica, Gattin des rumänischen Botschafters in Österreich)
„… Wir möchten hervorstreichen, dass die Operette eine zur Gänze professionelle Produktion ist, die Wiener Strauss-Gesellschaft ist die einzige, die die Fähigkeit besitzt, ein solches Unternehmen auf die Beine zu stellen. Unsere Glückwünsche an sie für dieses herausfordernde Darbietung.“ [Newsletter ( = Zeitschrift der britischen Strauss-Gesellschaft), August 2001]
Die Folgen
Nach diesem so erfolgreichen Premierenabend nimmt es wohl nicht Wunder, dass die Strauss-Gesellschaft gleich mit ihrer ersten Operettenproduktion auf Bundesländertournee ging. Bis 1998, also mehr als die ersten sechs Jahrzehnte ihrer Geschichte, hatte die JSG-Wien Vorstellungen ausschließlich in Wien gegeben. 1999, im Jahr des 100. Todestages von Johann Strauss, hatte sie begonnen, Produktionen nicht nur im Ausland zu präsentieren, sondern auch in anderen österreichischen Bundesländern. Nach Niederösterreich (Stadttheater Baden), der Steiermark (Opernhaus Graz) und Oberösterreich (Festspielhaus Bad Ischl) kam nun im Zuge der „Alt-Wien“-Tournee ein weiteres Bundesland hinzu, nämlich das Burgenland. Überall stellte sich derselbe große Erfolg wie beim der Premiere in Wien ein.
Am 18. Juli 2001 kehrte die Produktion schließlich hierher zurück. Das Wiener Sommerfestival „Klangbogen“ hatte sie für eine Freiluftaufführung im Innenhof des barocken Palais Schönborn in Wien-Josefstadt eingekauft. Im Februar hatte der Kartenvorverkauf dafür begonnen; nach zwei Wochen war die Vorstellung bereits ausverkauft. Diese letzte Aufführung von „Alt Wien“ erzielte nicht weniger Jubel als die vorangegangenen.
Die Bedeutung
1996 war das Sängerensemble der Johann Strauss-Gesellschaft Wien mit einem Konzert erstmals öffentlich in Erscheinung getreten. Der große Erfolg dieses ersten Auftritts bedingte in den Folgejahren weitere Konzerte in immer größeren Rahmen, und zwar im In- und Ausland; dennoch dachte man zunächst nie an die Produktion einer gesamten Operette.
Das Ensemble war erst vier Jahr alt, als das Lanner-Gedenkjahr es dazu bewog, eine Operettenproduktion auf die Beine zu stellen. Bis zur Premiere von „Alt-Wien“ galt dieses Projekt allerdings als Ausnahmeerscheinung, es war nicht daran gedacht, weitere Bühnenproduktionen herauszubringen. Und dann kam dieser unerwartet große Erfolg. Noch am Premierenabend wandte sich der Präsident der Gesellschaft, Prof. Franz Mailer, an den Veranstaltungsleiter, Prof. Peter Widholz, mit der Aufforderung, nun Produktionen von Johann Strauss-Operetten in die Wege zu leiten. Damit kam es noch im selben Jahr zum Startschuss für den Johann Strauss-Operettenzyklus, der innerhalb von 13 Jahren abgeschlossen werden konnte. Parallel dazu brachte das Ensemble der JSG-Wien neben seiner Konzerttätigkeit aber auch Produktionen von Operetten anderer Komponisten hervor. In diesem nunmehr erweiterten Betätigungsfeld vermochte die JSG-Wien dank ihres steten Bemühens um Authentizität in kürzester Zeit ihre bisherigen Erfolge sogar noch zu steigern:. Nur zwei Jahre später wurde bereits die erste Operettenproduktion mit großem Orchester präsentiert sowie eine Fernsehaufzeichnung und eine CD-Produktion. Dies gab letztendlich den Ausschlag, dass das Sängerensemble seit diesem Zeitpunkt, also seit 2003, unter dem Namen Klassisches Operettenensemble Wien in Erscheinung tritt. Die Erfolge und die hohe internationale Wertschätzung, die den Leistungen dieser Institution entgegengebracht wird, bestätigen seitdem immer wieder aufs Neue die Richtigkeit dieser Namensgebung.