MUSIKALISCHE FESTMATINEE FÜR ALEXANDER GIRARDI – DEZEMBER 2000
Die Strauss-Gesellschaft gedachte des
erfolgreichsten österreichischen Schauspielers aller Zeiten
aus Anlass seines 150. Geburtstages
Er war der populärste und am meisten verehrte Schauspieler, den Österreich je hervorgebracht hat: Alexander Girardi. In einer Zeit ohne Radio, Fernsehen und Internet erreichte er einen Bekanntheitsgrad und eine Bewunderung, die heute kaum noch vorstellbar ist. Er galt Jahrzehnte vor seinem Tod bereits als Legende und als lebendes Denkmal. Der große Alexander Moissi, der erste Salzburger „Jedermann“, beschrieb ihn in einem Nachruf als einen Darsteller, bei dem man nicht den Schauspieler, sondern nur den Menschen sah. Noch zu seinen Lebzeiten hatte ihn ein Berliner Kritiker als „ein stilles Beispiel der Vollendung“ bezeichnet. Alexander Girardi (1850 – 1918) hatte persönlichen Kontakt mit Kaiser Franz Joseph und war mit Johann Strauss befreundet; bei den Uraufführungen von mehr als der Hälfte seiner Operetten stand er jeweils in einer Hauptrolle auf der Bühne. Ihm schrieb nicht nur der Walzerkönig Rollen auf den Leib und in die Kehle, sondern auch andere große Operettenkomponisten, allen voran Karl Millöcker, Carl Zeller, Franz Lehár und Edmund Eysler.
So versteht es sich von selbst, dass die Johann Strauss-Gesellschaft Wien eine Gedenkmatinee für diesen Mitschöpfer von bedeutenden Wiener Operetten aus Anlass der 150. Wiederkehr seines Geburtstages – Girardi hatte am 5. Dezember 1850 in Graz das Licht der Welt erblickt – veranstaltete, denn seine musikalischen wie textlichen Einflüsse auf Meisterwerke wie z. B. den „Bettelstudenten“, den „Zigeunerbaron“ oder „Die Fledermaus“ wirken bis heute weiter. Am 17. Dezember 2000 boten prominente österreichische Künstler im Theater Akzent – unweit des Theresianums, der ehemaligen Sommerresidenz der Habsburgerkaiser im 4. Wiener Gemeindebezirk – einen Überblick über den Lebensweg und die künstlerische Entwicklung des unnachahmlichen und unvergesslichen Darstellers. Kammerschauspielerin Marianne Nentwich vom Theater in der Josefstadt und Kammerschauspier Rudolf Buczolich vom Wiener Burgtheater, die beide durch Fernsehserien zusätzliche Popularität erlangt hatten, schilderten dem zahlreich erschienenen Publikum die Höhepunkte und Tiefpunkte in Girardis Leben. Kammersänger Heinz Zednik von der Wiener Staatsoper und Peter Widholz, der diese Veranstaltung der Johann Strauss-Gesellschaft Wien initiiert und organisiert hatte, illustrierten diese Berichte gesanglich: Zednik sang das Walzerlied „Nur für Natur“, mit dem Johann Strauss Girardi zum Durchbruch verholfen hatte, und Widholz präsentierte den Evergreen „Küssen ist keine Sünd‘“, mit dem Girardi seinerseits Jahre später Edmund Eysler zum Durchbruch verholfen hatte. Herbert Prikopa begleitete die beiden Tenöre einfühlsam und stilecht am Klavier.
Aber auch Girardis Stimme selbst erklang: Hofrat Dr. Rainer Hubert von der Österreichischen Phonothek präsentierte zwei Tonaufnahmen – Girardi hatte dafür in einen Trichter gesungen –, darunter das unsterbliche Fiakerlied, das der vielseitige Künstler seinerzeit aus der Taufe gehoben hatte. Die Phonotek, die heute den Namen „Österreichische Mediathek“ trägt, ist ein staatliches Schallarchiv, das unter anderem rund 60 solcher Girardi-Einspielungen aufbewahrt, die allesamt zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden sind.
Da Alexander Girardi mit keiner anderen Figur schließlich mehr identifiziert wurde als mit der des Valentin aus Ferdinand Raimunds „Der Verschwender“ – in dieser Rolle zeigt ihn auch sein Denkmal auf dem Wiener Karlsplatz –, beendete Rudolf Buczolich mit dem daraus stammenden Hobellied die Matinee. Lang anhaltender Applaus bedankte die Künstler für ihren Auftritt zum Gedenken an ihren großen, unvergleichlichen Vorgänger und an ein unsterbliches, unerreichbares Vorbild.