ZUM ZWEITEN MAL EINE FESTWOCHE
Die Johann Strauss-Gesellschaft wurde durch den großen Anklang, den die „Johann Strauss-Festwoche“ im Juni 1949 im In- und Ausland gefunden hatte, so sehr ermutigt, so sehr beflügelt, dass sie beschloss, alljährlich jeweils im Juni eine Festwoche der Wiener Musik zu veranstalten, wobei man allerdings fortan nicht ausschließlich Musik von Johann Strauss aufs Programm setzen wollte, sondern diese im Spannungsfeld von Werken anderer Komponisten präsentieren wollte, die ebenfalls von Wien aus die Welt erobert hatten. So hielt die Gesellschaft vom 17. bis zum 24. Juni 1950 eine „Festwoche der Wiener Musik“, wie sie diesmal genannt wurde, ab. Den Ehrenschutz übernahm wie schon im Vorjahr der österreichische Unterrichtsminister, Dr. Felix Hurdes, sowie der Wiener Bürgermeister, Dr. h. c. Theodor Körner.
Auf dem Programm standen Stücke von Gluck, Haydn, Mozart, Beethoven oder Schubert ebenso wie Werke von Lanner, Joseph Strauss, Lehár, Oscar Straus oder Edmund Eysler, um nur einige zu nennen. Neben den bereits im Vorjahr verwendeten Spielorten wie Musikverein, Konzerthaus und Volksoper kamen diesmal die Sophiensäle und der Redoutensaal der Wiener Hofburg neu hinzu, beides Örtlichkeiten, an denen Johann Strauss Vater sowie seine drei Söhne häufig aufgetreten waren und viele ihrer Werke zur Uraufführung gebracht hatten.
Bei den drei in die Festwoche eingebundenen Aufführungen der Wiener Staatsoper in der Volksoper war besonders bemerkenswert, dass es sich bei allen um ganz neue Inszenierungen handelte: „Der Bettelstudent“ von Carl Millöcker und „Tausend und eine Nacht“ nach Musik von Johann Strauss (eine Umarbeitung seiner ersten Operette „Indigo und die vierzig Räuber“) hatten erst im Jahr zuvor ihre Premiere gehabt; und die Premiere der „Fledermaus“ fiel sogar in diese Woche (aufgrund von Spielplanverschiebungen hatte die Neuproduktion zwar bereits am 18. Juni ihre erste Aufführung, aber dafür konnten man die zweite Vorstellung am 22. Juni ohne Programmkollision bewundern, denn „Tausend und eine Nacht“ war auf den 19. Juni, den ursprünglichen Premierentermin der „Fledermaus“, vorverlegt worden). Bei allen drei Aufführungen dirigierte der kaum wie ein anderer um absolute Authentizität bemühte Anton Paulik – als junger Kapellmeister hatte er mit Musikern zusammengearbeitet, die noch unter Johann Strauss höchst persönlich gespielt hatten; von diesen hatte Paulik dessen interpretatorische Feinheiten gelernt und übernommen.
In „TAUSEND UND EINE NACHT“ stand neben Publikumsmagneten wie Esther Réthy, Rudolf Christ, Kurt Preger, Alfred Jerger und Richard Eybner mit Richard Sallaba auch jener Tenor auf der Bühne, der 1937 bei den beiden allerersten Aufführungen der Strauss-Gesellschaft mitgewirkt hatte. Kein Geringerer als Karl Farkas hatte die aktuellen Couplettexte beigesteuert. Mit dem „BETTELSTUDENTEN“ erlebte man jene legendäre Adolf Rott-Inszenierung, die schließlich weit über 400 Aufführungen an der Volksoper erleben sollte. Und in der „FLEDERMAUS“ schließlich durfte man sich an einer weiteren Starbesetzung erfreuen: Der singende Burgtheaterschauspieler Fred Liewehr gab den Eisenstein, Hilde Güden die Rosalinde, Kurt Preger den Alfred, Rudolf Christ den Orlofsky und den Frosch Karl Skraup, der in unzähligen Wiener Filmen – unter anderem an der Seite von Hans Moser, Paul Hörbiger und Hans Holt – sich in die Herzen des Publikums gespielt hatte. Die Kostüme zu dieser Produktion hatte der Wiener Modezar Fred Adlmüller beigesteuert.
Mit diesem reichhaltigen Angebot von Konzerten und Bühnenaufführungen, vor allem aber mit der Vielfalt an Komponisten hatte sich die Johann Strauss-Gesellschaft Wien einer Veranstaltungsreihe angenähert, die in der Zwischenkriegszeit entstanden war: Zwischen 1927 und 1937 wurden in jährlichen Abständen um dieselbe Jahreszeit sogenannte „Wiener Festwochen“ abgehalten. 1947 gab es von Seiten der Stadt Wien den Versuch einer Neubelebung dieser Idee mit einer „Musik- und Theaterfestwoche“, die aber in den Folgejahren keine Fortsetzung fand. Die von der Johann Strauss-Gesellschaft Wien 1950 durchgeführte „Festwoche der Wiener Musik“ erbrachte so wie ihre „Johann Strauss-Festwoche“ des Vorjahres einen so großen Erfolg, dass ihre oben genannte Absicht, jährlich eine solche Festwoche zu veranstalten, massiv bestärkt worden war. Doch es kam anders: Im darauffolgenden Jahr übernahm die Stadt Wien dieses Vorhaben in eigener Verantwortung und nach ihren eigenen Vorstellungen. Damit wurden die 1949 und 1950 von der Strauss-Gesellschaft veranstalteten Festivals ab 1951 durch die Wiener Festwochen abgelöst. Diese zeigten jedoch im ersten Jahrzehnt ihres Neubestehens ihre Verbundenheit gegenüber ihrer Wegbereiterin, der Strauss-Gesellschaft, darin, dass sie mit Ausnahme von 1953 zumindest ein Strauss-Konzert der Gesellschaft pro Jahr in ihr Programm aufnahmen.