ZURÜCK IM WIENER MUSIKVEREIN
Die erste Großveranstaltung der Strauss-Gesellschaft
nach dem Zweiten Weltkrieg
Ende April 1945 war Österreich nach der Befreiung von der Diktatur der Nationalsozialisten wiedererstanden. Kaum mehr als ein Jahr später kam es bereits zur Neugründung unserer Gesellschaft, die ihre Arbeit während der Nazizeit ruhend gestellt hatte. In dem durch den Krieg völlig darniederliegenden und von den vier Siegermächten besetzten Land brauchte es allerdings einige Zeit, bis die Strauss-Gesellschaft wieder in der Lage war, künstlerische Produktionen auf die Beine zu stellen. Am 9. Oktober 1948 kam es schließlich zur ersten großen und repräsentativen Veranstaltung: Wie nach ihrer ersten Gründung veranstaltete unsere Gesellschaft erneut ein Orchesterkonzert im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins. Wieder musizierten die Wiener Symphoniker unter der Leitung von Rudolf Moralt, dem damaligen Chefdirigenten der Wiener Staatsoper. Und wie beim allerersten Konzert der Strauss-Gesellschaft im Jahre 1937 wurde auch dieses von Radiostationen übertragen.
Auf dem Programm standen ausschließlich Kompositionen von Johann Strauss (Sohn), wobei nicht nur bekannte und beliebte, sondern auch zu Unrecht nur selten gespielte Stücke des Walzerkönigs zur Aufführung gelangten; so wurde unsere Gesellschaft gleich nach ihrer Neugründung erneut einer ihrer wichtigsten Ziele gerecht:
Trotz wirtschaftlich mehr als angespannter Zeiten waren rund 1.500 Besucherinnen und Besucher erschienen, darunter viel politische Prominenz: der Wiener Bürgermeister und spätere österreichische Bundespräsident, Theodor Körner, der Wiener Vizebürgermeister und stellvertretende Vorsitzende des österreichischen Bundesrates, Karl Honay, die Bundesminister für Unterricht, Felix Hurdes, und Volksernährung, Otto Sagmeister, sowie zahlreiche Vertreter der alliierten Besatzungstruppen und des diplomatischen Corps, die allesamt zu Beginn des Konzerts von Staatsoperndirektor Franz Salmhofer in seiner Funktion als Ehrenpräsident der Strauss-Gesellschaft willkommen geheißen wurden,
Der große Erfolg dieser Veranstaltung spiegelte sich nicht zuletzt in den Pressestimmen wider, in denen es unter anderem hieß:
„Im Programm des von den Symphonikern unter der Leitung von Prof. Moralt ausgeführten Konzertes fanden die künstlerischen Ziele der Vereinigung, vor allem die Pflege des zu Unrecht vergessenen wertvollen Musikgutes der Strauß-Dynastie, erfreuliche Verwirklichung … Moralt dirigierte die mit Lust und Liebe musizierenden Symphoniker mit all dem ihm zu Gebote stehenden Temperament elegant und mit dem feinsten rhythmischen Empfinden für den zierlichen Pas der Polka francaise, den Übermut des Galopps und das weiche Wiegen des Walzers.“ (Kleines Volksblatt. 12. Oktober 1948)
„Ein festliches Johann Strauß-Konzert im Großen Musikvereinssaal sollte, wie Staatsoperndirektor Salmhofer in seiner Begrüßungsrede ausführte, in Zeiten der Angst einen Abend echter Freude bereiten. Und es gelang. Melodie und prickelnder Rhythmus, wohlklingende Harmonie und sattklingender Orchesterklang, die bei Johann Strauß in so reichem Maß aufblühen, ließ … frohe Laune entstehen… Das orchestrale Klangstück „Perpetuum mobile“ und der Donauwalzer beschlossen das ausgezeichnete Konzert, das die Wiener Symphoniker unter der Leitung von Prof. Rudolf Moralt auch auf dem Gebiet der heiteren Muse auf künstlerischer Höhe zeigte.“ (Arbeiterzeitung, 12. Oktober 1948)
„Wer diesem Konzert als aufmerksamer Beobachter beiwohnte, konnte in den glücklichen Gesichtern der Zuhörer lesen, daß der große Zauberer des Walzers heute wie damals seine Herrschaft über Herz und Gemüt nicht nur der mit Straußbazillen infizierten Wiener, sondern über alle Welt ausübt. Rudolf Moralt, den sein betont romantisches Temperament besonders zur Strauß-Interpretation prädestiniert, wiegte sich in den bezaubernden Klängen …. Was Wunder, daß ihm und dem prachtvoll spielenden Symphonikern der Jubel nur so entgegenbrauste, Wiederholungen erzwang und schließlich nach der Zugabe der „Schönen blauen Donau“ nicht enden wollte.“ (Wiener Zeitung, 12. Oktober 1948)
„Der Czardas aus „Ritter Pasman“, die Polkas „Auf der Jagd“ und „Lagerlust“ wurden nicht zelebriert, sondern galoppiert und mußten nach Beifallsorgien wiederholt werden.“ (Der Abend, 12. Oktober 1948)
„Dann hob Rudolf Moralt seinen Taktstock und führte die freudig musizierenden Symphoniker mit elegantem Schwung durch die heiter-melodiösen Gefilde der „Tanzsymphonie“ des Wiener Walzerkönigs. Wie herrlich befreiend und erleichternd wirken doch diese ätherisch beschwingten, liebenswürdigen Weisen aus einer sorglosen Zeit auf unser durch seelische Erschütterungen und Leid schwer gewordenes Gemüt. Möge uns die Johann Strauß-Gesellschaft noch viele solcher Kunstwerke geben, damit unser schwer geprüftes Volk recht bald den Weg zu seinem Genius, zu seiner angeborenen heiter-liebenswürdigen Art zurückfindet!“ (Welt am Abend, 15. Oktober 1948)